Donnerstag, 24. August 2006
Acht Planeten und ein „Zwergplanet“
Während zweier Wochen haben 2300 Astronomen an der in Prag zu Ende gegangenen Tagung der Internationalen Astronomischen Union IAU über die Planetenfrage debattiert. Die Vorschläge reichten von drei neuen Planeten bis zur Aberkennung des Planetenstatus von Pluto. Nun ist entschieden; seit gestern besitzt unser Planetensystem nur noch acht Planeten und mit Pluto neu einen „Zwergplaneten“.

Von Thomas Baer, Sternwarte Bülach

Dass jenseits der Plutobahn weitere Objekte die Sonne umkreisen, stand nie in Frage. Das erste grössere Objekt im Kuipergürtel - einer scheibenförmigen Region, die sich hinter der Neptunbahn erstreckt und schätzungsweise mehr als 70.000 Objekte beherbergt - entdeckte man bereits 1992. Quaoar galt mit 1300 km Durchmesser lange Zeit als bislang grösstes von 550 gegenwärtig bekannten transneptunischen Objekten, ehe mit den im Jahre 2003 entdeckten Objekten UB 313 („Xena“) und EL61 und einem 2005 gesichteten Gestirn mit der vorläufigen Nummer FY9 noch grössere Brocken gefunden wurden.

Es ist verständlich, dass in den letzten Jahren unter den Astronomen eine Diskussion entbrannte, welche Kriterien ein Planet erfüllen sollte. Entscheidet die Grösse oder die scheinbare Helligkeit über das Sein oder nicht Sein eines Planeten? Oder gibt es noch ganz andere Kriterien, einen Himmelskörper als Planeten zu bezeichnen?
Der Streit um den im Jahre 1930 entdeckten Pluto dauert nun schon Jahrzehnte. Irgendwie tanzte der ferne Sonnenwandler mit seiner 17° schiefen, stark exzentrischen Bahn und wegen seiner bescheidenen Grösse von nur 2300 km (der Erdmond zum Vergleich misst 3480 km) immer etwas aus der Reihe. Als auch sein Mond Charon näher vermessen wurde, sahen viele Astronomen gar einen Doppelplaneten, denn Charon ist nur unwesentlich kleiner als sein Mutterplanet und der gemeinsame Schwerpunkt beider Gestirnen liegt irgendwo dazwischen.
Erst recht ins Rollen kam die Diskussion um die Planetenfrage, als im Jahre 2003 in 14.6 Milliarden km Abstand von der Sonne mit UB 313 „Xena“ ein rund 2400 km mächtiger Himmelskörper jenseits der Plutobahn gefunden wurde.

Die Planetenfrage erhitzt die Gemüter

Die Internationale Astronomische Union IAU hat aus diesem Grund eine Kommission ins Leben gerufen, die eine klare Definition der Planeten formulieren sollte. Geplant war an der gestern zu Ende gegangenen 26. Generalversammlung der IAU in Prag einen Vorschlag der Öffentlichkeit vorzustellen und darüber abzustimmen.

Über die möglichen Varianten wurde in den letzten Tagen viel spekuliert und diskutiert. So lagen Formulierungen im Raum, Pluto aufgrund seiner Grösse und extremen Bahn wieder zu einem Kleinplaneten zurückzustufen, andere prägten den Begriff von „Zwergplaneten“. Diese Idee stiess aber auf amerikanischer Seite – der Amerikaner Clyde Tombaugh entdeckte 1930 am Lowell-Observatorium in Arizona Pluto - auf heftige Kritik. Ein anderer Vorschlag ging dahin, das Kriterium zum Planeten über ihre absolute Helligkeit zu definieren.
Am Dienstag vor einer Woche hat die IAU den Spekulationen ein vorläufiges Ende bereitet und den offiziellen Vorschlag des „Planet Definition Commitees“ in einer Pressemitteilung dargelegt.
In den Tagen darauf wurde an der so genannten Resolution 5 ständig herumgeschraubt. Bis Mittwoch war noch kein eigentlicher Konsens und vor allem noch keine überzeugende Mehrheit der Astronomen bei der Planetendefinition gefunden.



Früher waren Planeten „Wandelssterne“

Der Begriff Planet stammt aus dem Griechischen „planetes“, was soviel wie „Wanderer“ vor der Fixsternkulisse bedeutet. Früher war die Definition eines Planeten eine rein visuelle Angelegenheit; heute reicht dieser Begriff nicht mehr aus, wie die nachfolgenden Neudefinitionen zeigen:

Ein Himmelskörper ist ein Planet, sofern er das grösste Objekt in seiner lokalen Umgebung ist und wenn er sich aufgrund seiner eigenen Masse im hydrostatischen Gleichgewicht befindet (was generell bei einer Masse von mehr als 5 * 1020 kg und einem Durchmesser von mehr als 800 km der Fall ist) und demzufolge eine runde Gestalt aufweist. Dieses Kriterium erfüllt eine Vielzahl neu entdeckter Objekte (siehe Grafik). Alle acht vor 1900 entdeckten Planeten behalten natürlich ihren Planetenstatus. Neu wird aber die Gruppe der „Zwergplaneten“ geschaffen, zu denen Pluto, gewissermassen als Prototyp der transneptunischen Objekte (Objekte jenseits der Neptunbahn, kurz TNO’s) zählt. Auch zur Kategorie der Zwergplaneten gehören nun das fast 2500 km grosse Kuiper-Gürtel-Objekt UB 313 mit dem inoffiziellen Namen „Xena“ und ein Dutzend weiterer Objekte jenseits der Neptunbahn, hingegen bleibt der 1207 km grosse Charon ein Mond Plutos. Der rund 950 km mächtige Asteroid Ceres zwischen der Mars- und Jupiterbahn ist natürlich kein TNO, jedoch neu ein Zwergplanet.
Alle anderen Asteroiden, „Erdbahnkreuzer “ und Kometen, kleiner als 800 km, werden als „kleine Sonnensystemkörper“ bezeichnet.
Mit der Schaffung der drei Hauptkategorien „Planeten“, „Zwergplaneten“ und „Kleine Sonnensystemkörper“ hat man für Pluto doch noch einen besonderen Status geschaffen.

Da waren’s nur noch acht

Ob nun die Planetendiskussion endgültig vom Tisch ist, wird sich zeigen. Nach den heftigen Debatten würde es nicht erstaunen, wenn auf die nächste IAU-Tagung hin vom August 2009 in Brasilien das Thema noch einmal aufgegriffen würde. Bis dahin ziehen Pluto, Charon, Xena, Sedna, Orcus, Quaoar, Varuna oder Ixion unbeirrt ihre Bahnen um die Sonne.

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