Mittwoch, 23. August 2006
Weiterhin kein Konsens bei der Planetendefinition
An der gestrigen IAU Informationsveranstaltung zur Planetendefinition ging es rund zu und her. Die IAU hatte ihren letzten Vorschlag (siehe unsere News vom 16. und 21.8.) überarbeitet und in drei Teilen dem Publikum präsentiert. An den Texten wurde fieberhaft bis kurz vor der Veranstaltung gearbeitet. Die Diskussion wurde dabei nach verschiedenen Berichten zufolge ziemlich hitzig geführt. Julio Fernández, der Mitinitiant des populären Alternativ-Vorschlages, meinte, dass es sich bei der neuen Fassung praktisch um den selben Text wie vorher handle. Nachdem er seinen Vorschlag nochmals erläutern wollte, wurde er von IAU Präsident Ron Ekers abrupt unterbrochen. Ein Vorkommnis, das auch von Brian Marsden dem Vorsitzenden des Minor Planet Centers als "disgraceful treatment" bezeichnet wurde. Der offizielle Vorschlag sieht wie folgt aus.



Resolution 5
Diese enthält die eigentliche Definition und stützt sich hauptsächlich auf die letzte Fassung. Änderungen gibt es im zweiten und dritten Abschnitt:

(2) In our Solar System we distinguish between the eight
"classical planets", as the dominant objects in their local
population zones, and "dwarf planets", which are not.

Dieser Abschnitt wäre faktisch identisch mit dem ursprünglichen Vorschlag. Das heisst, Pluto und die anderen grossen TNO's würden neu "Dwarf Planets" genannt. Diesmal aber mit der Erklärung, dass sie nicht die dominierenden Objekte in ihrer Umgebung sind.

(3) All natural non-planet objects orbiting the Sun, currently
including most of the Solar System asteroids, near-Earth
objects (NEOs), Mars-, Jupiter-, Neptune-Trojan asteroids, most
Centaurs, most Trans-Neptunian Objects (TNOs), and comets, shall
be referred to collectively as "Small Solar System Bodies". In
the new nomenclature the term "minor planet" is not used.

Hier wird zwar im Vergleich zur Vorversion weiter präzisiert, unter dem Strich ist aber auch hier keine wesentliche Änderung erkennbar. Es fehlt aber der ausdrückliche Hinweis, dass Pluto ein Planet sei (bisher: We recognize Pluto to be a planet...).

Resolution 6
Diese Resolution ist ein Zusatz zur eigentlichen Definition. Hier wird nochmals separat ausgeführt, was bisher in der Resolution 5 enthalten war. Als Neuerung bezeichnet man Pluto als Zwergplanet und nicht mehr direkt als Planet wie in der ersten Version. Daneben möchte man eine eigene Plutoklasse einführen und diese durch das MPC [1] separat von den übrigen Kleinplaneten katalogisieren.

Pluto is a dwarf planet by the above scientific definition,
as are one or more recently discovered large trans-Neptunian
objects. In contrast to the classical planets, these objects have
orbital periods in excess of 200 years and typically have highly
inclined orbits with large eccentricities. We designate this
category of planetary objects, of which Pluto is the prototype,
as a new class that we call 'XXXXX'. We propose that the MPC
create an new and separate catalog for these objects and their
orbital characteristics, with Pluto as the first entry.

Unklar ist weiterhin, wie die separate Plutoklasse konkret heissen soll. Das zuerst vorgeschlagenen "Plutons" gab in den letzten Tagen heftige Kritik, da dieses Wort in diversen anderen Sprachen (z.B. Französisch) identisch mit Pluto wäre. Weiter zur Diskussion standen: Plutoids, Tombaugh Objects/Planets, Plutonids, Plutians, Plutonoids oder Plutinos.

Resolution 7
In diesem Teil geht es hauptsächlich um die Mond/Planeten-Frage. Bei zwei oder mehreren Objekten eines Mehrfachsystems, wird das primäre (grössere) Objekt als Planet bezeichnet, sofern es unabhängig die Kriterien der Planeten erfüllt. Sollte der Begleiter die Bedingungen ebenfalls erfüllen und befindet sich der Massenschwerpunkt (Baryzentrum) während der meisten Zeit eines Umlaufes ausserhalb des Hauptobjektes, so würde auch der Begleiter als Planet bezeichnet. Andernfalls wäre er ein Mond im bisherigen Sinne. Auch hier eigentlich keine substanzielle Änderung zur Vorversion.


Nach über einer Stunde turbulenter Diskussionen wurde schliesslich durch eine Testabstimmung nochmals die Stimmung gemessen und es zeigt sich, dass auch die neuen Formulierungen wenig Unterstützung fanden:

70% Ablehnung für Resolution 5
80% Ablehnung für Resolution 6
80% Ablehnung für Resolution 7

Ein unerwartet schlechtes Ergebnis. Damit war klar, dass die IAU ihren Vorschlag gravierend ändern müsste, will sie mit einer Zustimmung an der definitiven Abstimmung am kommenden Donnerstag rechnen.

Wie aus weiteren Berichten [2] zu erfahren war, hat daraufhin das Planet Definition Committee unter Führung von Owen Gingerich den Vorschlag im Laufe des Nachmittags weiter überarbeitet. Im Anschluss daran fand nochmals eine unplanmässige Diskussionsrunde mit Fachleuten hinter verschlossenen Türen statt.

Wie dieser überarbeitete Vorschlag "draft c" im Detail aussieht, war bisher leider nicht zu erfahren. Er stiess aber aufgrund verschiedener Berichte auf eine breite Zustimmung. Es scheint praktisch sicher zu sein, dass wenn dieser Vorschlag am Donnerstag durchkommen sollte, Pluto seinen offiziellen Planetenstatus verlieren würde. Die wichtigste Änderung in der Definition wäre, dass ein Planet der dominierende Körper in seinem Orbit/Umgebung sein muss. Bei Pluto ist dies nicht der Fall, da er die Bahn des grösseren Neptun kreuzt. Zusätzlich scheint die IAU auch davon abgekommen zu sein, eine Definition für alle Planeten (also auch solche in fremden Planetensystemen) zu formulieren, sondern will sich ausschliesslich auf das Sonnensystem beschränken. Dies ist auch klar aus dem Text der Resolution 5 (2) ersichtlich.

S&T schreibt sogar als Schlagzeile auf ihrer Homepage [3], dass der gestrige Tag mit "The Day We Lost Pluto" Geschichte schreiben würde und zitiert damit Jay Pasachoff vom Williams College, Massachusetts, welcher die allgemein vorherrschende Stimmung an der Diskussionsrunde beschreibt. Die Schlussabstimmung der 2'300 Astronomen ist nun auf Donnerstag 24.8., 14 Uhr geplant. Weitere Diskussionsrunden sind nicht mehr vorgesehen. Zur Abstimmung kommt ausschliesslich der nochmals überarbeitete Vorschlag der IAU. Die Mitglieder haben daher nur die Möglichkeit den Vorschlag anzunehmen oder ihn abzulehnen. Letzteres würde den Status quo mit den derzeit neun Planeten zementieren und es gäbe keine Änderung oder offizielle Definition in der Planetenfrage. Zumindest bis zur nächsten IAU General Assembly im August 2009 in Brasilien. Doch die aktuellen Zeichen aus Prag deuten wohl eher darauf hin, dass wir am Donnerstag mit einer Definition - ohne Pluto als offizieller Planet - rechnen können.

Weiterführende Links
[1] http://cfa-www.harvard.edu/iau/mpc.html
[2] http://www.newscientistspace.com/article/dn9818-astronomers-lean-toward-eight-planets.html
[3] http://skytonight.com/news/home/3707031.html

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