Freitag, 17. März 2006
Am 29. März 2006 - Letzte totale Sonnenfinsternis in Europa bis 2026
Nur ein knappes halbes Jahr nach der über Spanien verlaufenen ringförmigen Sonnenfinsternis, verfinstert sich am Mittwoch, 29. März 2006 die Sonne über Südosteuropa zur Mittagszeit total. Schauplatz des seltenen Ereignisses, das Schaulustige aus aller Welt anlocken wird, ist diesmal die Türkei.



Das Ereignis des Jahres 2006 ist zweifelsohne die totale Sonnenfinsternis, welche um die Mittagsstunden des 29. März über Europa zu eintritt. Es ist das letzte vergleichbare Ereignis nach 1999, das in Europa zu beobachten sein wird. Erst am 12. August 2026 trifft der Kernschatten des Mondes gegen Abend wieder auf Spanien. In Teilen der Türkei hingegen ist es die zweite totale Sonnenfinsternis innerhalb von nur 7 Jahren! Wenn man bedenkt, wie selten ein solches Ereignis über einem bestimmten Ort der Erde eintritt, ist dies schon fast rekordverdächtig. Zum Vergleich: In der Schweiz fand die letzte totale am 22. Mai 1724 statt, die nächste, welche aber nur die Nordschweiz streift, tritt am 3. September 2081 ein.

Die Sonnenfinsternis vom 29. März 2006 ist die direkte Nachfolgerin der am 18. März 1988 über Indonesien und den Philippinen eingetretenen Finsternis der Saros-Reihe Nr. 139. Es ist die 28. Finsternis einer 71 Ereignisse umfassenden Serie. Alle Finsternisse dieses Zyklus verlaufen im aufsteigenden Mondknoten und charakterisieren sich in Nähe zum Frühlingsbeginn eintretend, durch einen sehr markant verlaufenden Nordkurs der Totalitätszone. Mondbahnschräge und Ekliptikschiefe addieren sich, was zu dieser starken Nordwärtsdrift in Breitengraden führt.

Beginn in Brasilien

Global gesehen, beginnt die Finsternis im mittleren Atlantik im Punkt 22° 06’ West und 14° 28’ Süd um 9:36.8 Uhr MESZ. Hier, entlang der Kurve „Finsternis beginnt bei Sonnenaufgang“ berührt der Mond die Sonnenscheibe genau in dem Augenblick, wenn das Tagesgestirn am mathematischen Horizont aufgeht. Bloss eine knappe Stunde später berührt der Kernschatten des Mondes in Brasilien, nördlich der Stadt Recife die Erdoberfläche. Die Sonne, kaum als schmale Sichel aufgegangen, verfinstert sich im Küstenbereich für knappe 2 Minuten total. In Natal steht das Tagesgestirn gerademal 2° über dem Horizont, wenn die 1 min 42 s dauernde Totalität eintritt.



Über 4 Minuten total

Flugs entwischt der Mondkernschatten den frühen Morgenstunden und läuft in einem starken Linksbogen in nördlicher Richtung auf den Atlantik hinaus, wo die Schattenellipse 185 km breite Schattenellipse gegen 11 Uhr MESZ die Küste von Ghana erreicht. Die Dauer der totalen Finsternis ist auf der Zentrallinie mittlerweile auf 3 min 30 s angestiegen. In der Folge werden die Staaten Togo, Benin, Nigeria, Niger, Tschad und Libyen überquert. Hier stellt sich um 12:33.2 Uhr MESZ auch die grösste Finsternis mit einer Dauer von 4 min 7 s ein! Im Grenzgebiet Libyen-Ägypten verlässt der Kernschatten den afrikanischen Kontinent und steuert zwischen Kreta und Zypern auf die Südtürkei zu. Die bekannten Städte Kumluca, Antalya, Serik Manavgat (Side) und Alanya liegen allesamt innerhalb der Totalitätszone (Fig. 4). In Antalya beginnt die totale Finsternis um 12:54.26 Uhr MESZ und endet um 12:57.34 Uhr MESZ. In Manavgat/Side das fast exakt auf der Zentrallinie liegt, wird die Finsternis zwischen 12:55.06 Uhr MESZ und 12:58.51 Uhr MESZ total.



Ende der Totalität in Sibirien

Die türkische Hauptstadt Ankara wird knapp verfehlt. Der Totalitätsstreifen zieht über den östlichen Ausläufer des Schwarzen Meers weiter nach Kasachstan, wo der nördliche Teil des Kaspischen Meers in die Totalitätszone zu liegen kommt. Die Totalitätsdauer nimmt mit jedem Kilometer weiter ab und schrumpft schon über Kasachstan unter die 3-Minuten-Marke. Kurz vor dem Baikalsee hebt der Kernschatten des Mondes schliesslich um 13:46.9 Uhr MESZ von der Erde ab. Wiederum eine knappe Stunde nach Ende der zentralen Finsternis, verlässt auch der Halbschatten die Erdoberfläche.

Sterne und Planeten mitten am Tag



Während der totalen Finsternis wird es dank der breiten Kernschattenzone dunkel genug, damit man die hellsten Sterne und Planeten neben der finsteren Sonne entdecken kann! Unmittelbar neben der Sonne, wo der Himmel am dunkelsten ist, wird man in westlicher Richtung (schräg rechts unterhalb) Merkur erspähen können. Im Südwesten, strahlend hell dürfte knapp über dem Horizontleuchten Venus ausfindig gemacht werden, während Mars in östlicher Richtung ein schwieriger Kandidat sein wird. Bestenfalls dürfte man noch nach der hellen Capella Ausschau halten (Fig. 5).

Der Moment vor Eintritt der totalen Finsternis gehört überhaupt zum Eindrucksvollsten was uns die Natur zu bieten hat. Schon während der ringförmigen Sonnenfinsternis, welche der Autor von Madrid aus miterlebt hat, war die Beleuchtung sehr beeindruckend (vgl. ORION, Nr. 331, Seite 20), obwohl noch immer 10% der Sonne die Landschaft fahl erhellen mochten. Bei einer totalen Finsternis, wenn auch das letzte Licht der Photosphäre durch den Neumond abgedeckt wird, ist das Dunkelwerden gleichsam beeindruckend wie auch beängstigend. Die Natur zeigt sich auf einmal in ganz unirdischen Farben, ehe die dunkle Schattenwand auf einen zurast. Während sich der letzte gleissendhelle Sonnenfunke durch ein Mondtal zurückzieht und damit die Sicht auf die fantastische Sonnenkorona freigibt, steht man auf einmal inmitten einer tiefen Dämmerung. Wie eingefroren wirkt das Bild der total verfinsterten Sonne; die Zeit scheint für einen Augenblick still zu stehen. Der Horizont flammt indessen in den wunderschönsten Dämmerungsfarben auf, allerdings ringsherum und nicht wie bei einer Morgen- oder Abenddämmerung nur in einer Richtung! Erst wenn das totale Schauspiel vorüber ist und mit einem Schlag das Licht zurückkehrt, realisiert man, wie dunkel es tatsächlich war und wie rasch sich der Mond in der Tat vor der Sonne vorbeischiebt.

Partielle Finsternis in Afrika, Europa und Asien

In partieller Phase kann die Sonnenfinsternis in praktisch ganz Afrika, mit Ausnahme des südöstlichen Zipfels, ganz Europa, ausser Grönland und weiten Teilen Asiens, ausgenommen die östlichen und südöstlichen Regionen, erlebt werden. Hier gilt, wie immer bei zentralen Sonnenfinsternissen: Je näher sich die beobachtende Person bei der Zentrallinie befindet, desto tiefer dringt der Neumond in die Sonne ein. Auf der Globalkarte (Fig. 1) ist zu sehen, dass die Schweiz ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Totalitätszone und Nördlicher Begrenzungslinie liegt. Dies erklärt, weshalb wir am 29. März 2006 von Zürich aus zwischen 11:38.0 Uhr MESZ und 13:39.2 Uhr MESZ eine Finsternis der Grösse 0.444 erleben werden. Das Maximum liegt genau in der Mitte (11:38.1 Uhr MESZ). In Bern (11:36.7 Uhr MESZ – 13:37.0 Uhr MESZ), Basel (11:38.1 Uhr MESZ – 13:37.4 Uhr MESZ) und Genf (11:34.5 Uhr MESZ - 13:34.2 Uhr MESZ) weichen die Zeiten nur geringfügig voneinander ab. Für die partielle Finsternis über Europa sind die beiden Karten Fig. 2 und Fig. 3 aufschlussreich.





Hier lassen sich für jeden beliebigen Ort die Anfangs- und Endzeiten, sowie das Maximum der Finsternis recht genau interpolieren. In Hannover beispielsweise beginnt die Finsternis um 11:48 Uhr MESZ, erreicht um 12:45 Uhr MESZ mit 40% abgedecktem Sonnendurchmesser das Maximum und endet schliesslich um 13:43 Uhr MESZ.

Letzte totale Sonnenfinsternis über Europa bis 2026

Die kommende totale Sonnenfinsternis ist die letzte Kernschattenfinsternis über Europa bis zum 12. August 2026, wenn man die Finsternis vom 20. März 2015 über Spitzbergen einmal ausklammert. Am Abend des 12. August 2026 streift der Mondschatten kurz vor Sonnenuntergang parallel zu den Pyrenäen über das Mittelmeer bis zu den Balearen. Am 2. August 2027 kann man über der Strasse von Gibraltar mit 5 Minuten 23 Sekunden eine lange totale Sonnenfinsternis erleben.

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